Menschen erscheinen lassen

Im Onlineangebot der Süddeutschen Zeitung schreibt Roger Willemsen über Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! (RTL 2014). Dabei kontrastiert er das Format mit »großen ARD- und ZDF-Familienshows voller veritabler Prominenter, die sich für keinen altbackenen Quatsch zu schade sind« und nennt diese von ihm nicht weiter genannten Shows »einfallslos inszeniert, […] lieblos produziert, […] herablassend kalkuliert […] und vom dümmsten gemeinsamen Nenner« ausgehend (ebd.). Demgegenüber weise das »Dschungelcamp«, eine »sichtlich leidenschaftlich gemachte Show«, eine nicht zu übersehende Qualität auf:

»Wenn das Dschungelcamp mit all seinem Sadismus, seinem Angriff auf die Menschenwürde, seiner grausamen Vergewisserung von Fallhöhe bei Menschen, die diese kaum mehr oder noch nicht besitzen, wenn also dieses Dschungelcamp zu etwas geeignet ist, dann, Menschen zur Erscheinung zu bringen […].« (ebd.)

Die Beschwörung eines emphatischen Konzepts vom »Menschen« dient Willemsen offenkundig als Provokation gegenüber jenen, die in Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! nur die vermeintliche Befriedigung von »Sensationsgier und Zynismus« (ebd.) erkennen.

Dass eine wesentliche Funktion des Reality-Fernsehens darin bestehe, »Bevölkerungen zum Erscheinen zu bringen«, ist auch die These von Nick Couldry (2011). In einem gleichnamigen Text beschreibt Couldry, wie das Reality-Fernsehen wiederkehrend an der Erfüllung des Versprechens arbeite, den »tatsächlichen« Menschen aufzudecken. Betrachtet man Willemsens affirmativen Beitrag, vor allem aber die Weise, in der er das vermeintliche Verhalten der Akteurinnen und Akteure schildert, als handele es sich um empirische Menschen, nicht aber um filmische Figuren, oder auch den seine Überlegungen grundierenden Glauben an die Vorgängigkeit eines beobachtenden ›Publikums‹, so scheint Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! ziemlich erfolgreich in der Generierung dieses Versprechens zu sein.

Thomas Waitz

Couldry, Nick (2011): »Making Populations Appear«. In: Kraidy, Marwan M./Sender, Katherine (Hg.): The Politics of Reality Television. Global Perspectives. London/New York: Routledge, S. 194-206.

2 Antworten zu „Menschen erscheinen lassen”.

  1. […] Frank Olbert im Onlineangebot des Kölner Stadtanzeigers. Mit dem Ende der diesjährigen Staffel stellen sich viele Kommentator_innen auf den Medienseiten der Presse die Aufgabe, die von ihnen mitverursachte Aufmerksamkeit für Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! (RTL […]

  2. […] mit der von Roger Willemsen formulierten These, dass dieses Format Menschen zum Erscheinen bringe (https://fernsehmomente.wordpress.com/2014/02/03/menschen-erscheinen-lassen/). Was ihn interessiert, sind die Strategien dieser Sendung, mit der sie sich interessant macht, und […]

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