Das »Dschungelcamp« sei vor allem eins, nämlich camp – so schreibt Frank Olbert im Onlineangebot des Kölner Stadtanzeigers. Mit dem Ende der diesjährigen Staffel stellen sich viele Kommentator_innen auf den Medienseiten der Presse die Aufgabe, die von ihnen mitverursachte Aufmerksamkeit für Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! (RTL 2014) einzuordnen und zu bewerten. Olbert glaubt, im angesprochenen Programm den Hinweis auf eine neue »Zwanglosigkeit« des Fernsehens »im Umgang mit sich selbst« (ebd.) zu erkennen:
»Durchgedrehte Spielkinder haben die Sendertanker geentert und wollen vor allem eins: ihren Spaß haben, auf dass auch das Zuschauen wieder Spaß macht.« (ebd.)
Doch seine Diagnose ist umfassender und bleibt nicht auf das Fernsehen beschränkt. Olbert behauptet, dass in der Gegenwart keine moralischen Autoritäten mehr existierten, die Meinungshoheit beanspruchen könnten und führt weiter aus:
»Gesellschaftliche Autorität erodiert, die Institutionen haben ihren Ernst und ihre Integrationskraft verloren, und mit am klarsten tritt dieses Phänomen beim Fernsehen hervor.« (ebd.)
Demgegenüber stehe das privatrechtlich organisierte Fernsehen in der Tradition der camp-Bewegung der 1960er Jahre. Olbert wörtlich:
»So kann man das ›Dschungelcamp‹ abstoßend und Stefan Raabs Witze geschmacklos finden, doch allein die Diskussionen, die sich daran entzünden, stehen für ihren Wert. Man mag gar nicht das abgegriffene Wort von der Innovation bemühen, aber hier trifft es zu – und es stimmt traurig, dass öffentlich-rechtliche wie private Sender diesen Weg viel zu selten und viel zu zaghaft beschreiten.« (ebd.)
Fernsehen, so Olbert abschließend, sei
»heute nicht mehr die moralische Anstalt, die zwar in Farbe sendet, aber seine Botschaften am liebsten in moralinsaures Schwarz-Weiß tauchen würde. Und angesichts von Internet und sozialen Netzwerken ist es schon gar keine Autorität mehr, die weiß, was das Publikum sehen sollte.«
Wer aber weiß, was das ›Publikum‹ sehen soll? Abgesehen von einigen begriffslogischen Problemen, die sich bei Olberts Kommentar stellen – so wäre ja die Frage, ob ›das‹ Fernsehen nicht grundsätzlich über Angebotsstrukturen seine gesellschaftliche Wirkung entfaltet und eine spezifische Form der Bürgerschaftlichkeit evoziert, wie etwa Hartley (1999: 178) beschreibt – ließe sich der Kommentar vielleicht auch im Hinblick auf die Frage diskutieren, wie sich die Krisenhaftigkeit des Dispositivs Fernsehens gegenwärtig zugunsten der emphatischen Aufwertung seiner immer schon sozialen Kontextualisierungen verschiebt. Welche Rolle dabei die Medienkritik einnimmt, scheint, je nach Anlass, höchst variabel. Wenn man Olberts Einlassungen ernst näme, wäre die moralische Anstalt, deren Ende er konstatiert, wohl vor allem sein eigenes Metier.
Thomas Waitz
Hartley, John (1999): Uses of Television. London/New York: Routledge.

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