Als Special Feature präsentierten die AG-Mitglieder im vergangenen Jahr ihre „The BestHoliday-Episode-List Ever!?“. Dieser erste Weihnachts-Sonderbeitrag wird hiermit fortgeführt, um im besten Fall eine jährliche Tradition daraus zu entwickeln. Jedoch sollen nicht wieder die „persönlichen Lieblinge unter den Weihnachts- und Festtagsfolgen“ vorgestellt werden. In diesem Jahr geht es vielmehr um die eigenen Kindheitserinnerungen. Wie wird zurückgeblickt? Welche Rolle spielte das Fernsehen früher zu den Feiertagen und in der Vorweihnachtszeit? Welche Sendungen und Formen sind besonders in Erinnerung geblieben?
Es steht fest, dass es ganz besondere Filme gibt, die stets zu Weihnachten geschaut wurden und werden, Fernsehtraditionen, die bis heute nicht abreißen. Im Seminar der Philipps-Universität Marburg zu Fragen der Formatierung und Strukturierung von Fernsehformen sammelten Studierende in dieser Woche zyklisch wiederkehrende Klassiker, die einen festen Platz im Weihnachtsprogramm, aber auch im Streaming sowie in den eigenen Familien haben. Herausgekommen ist, dass vor allem Drei Haselnüsse für Aschenbrödel (ČSSR, DDR 1973), Kevin – Allein zu Haus (USA 1990), verschiedene Filme zum Grinch und Der kleine Lord (GB 1980) zu diesen gehören: Weihnachtsmomente – Fernsehmomente – Familienmomente.
Das Fernsehen strukturiert sich zu Weihnachten um. Stärker als zu allen anderen Augenblicken des Jahres werden die innermediale und die außermediale Zeit miteinander gekoppelt. Das führt dazu, dass Kindheitserinnerungen an Weihnachten auch Kindheitserinnerungen an Fernsehen sein können. Dazu im Folgenden ein paar Einblicke in die Gedanken der AG-Mitglieder.

Erinnerungen an Fernsehmomente zu Weihnachten
Kim Hebben schreibt:
Wenn ich heute an die weihnachtlichen Fernsehmomente meiner Kindheit zurückdenke, fällt mir eine Zäsur auf. Die Vorweihnachtszeit weckt sofort Assoziationen zu den persönlichen Weihnachtsklassikern meiner Familie in den 1990er Jahren: Kevin – allein zu Haus (USA 1990), die Sissi-Reihe (Ö 1955-1957) oder auch Die Geister, die ich rief (USA 1988). Der Fernseher lief unermüdlich. An Heiligabend blieb der Fernseher jedoch aus. Zumindest während der Festlichkeiten. Ich erinnere mich an das Knistern in der Luft, das besondere Geschirr, Gewusel in der Küche, die Spannung, das Warten auf das Christkind. Alles so besonders, dass der Fernseher keinen Platz darin fand. Aber auch hier erinnere ich mich an einen Cut – der Moment, an dem das Familienessen, die Bescherung und die Programmpunkte vorbei waren. Alle Geschenke ausgepackt und angespielt, der Tisch abgeräumt und das Geschirr gespült. Die Besinnlichkeit blieb aber. Mit Kerzenschein und Lichterkettenbeleuchtung. Satt und zufrieden haben meine Eltern und ich gemeinsam in der Fernsehzeitung einen Weihnachtsfilm ausgesucht und diesen geschaut.
Eine ähnliche Zäsur gab es einen Tag später beim Weihnachtsessen bei meiner Oma. Es wurde gegessen, geschenkt, gespielt – und irgendwann kündigte das Einschalten des Fernsehers das Ende des offiziellen Teils an. Der Fernseher markiert in meiner Erinnerung den Wechsel vom Festlichem zum Alltäglichen. Ein Onkel, Opa oder Vater setzte sich fernab der inzwischen abgedeckten Tafel auf die Couch und schaltete den Fernseher ein und lockte damit noch weitere Gleichgesinnte zu sich, während eine andere Gruppe sich zum gemeinsamen Weihnachtsspaziergang aufmachte und wieder andere bei Punsch und Knabbereien den Abend ausklingen ließen.

Wir warten aufs Christkind…
Monika Weiß schreibt:
Es ist Heiligabend und „Wir warten aufs Christkind“. Das ist meine Kindheitserinnerung. Bis 1995 hat die ARD in ihrem Nachmittagsprogramm an Heiligabend den Kindern die Wartezeit versüßen wollen. Verbunden durch eine Programmansagerin (schon das ein bittersüßer Anachronismus) konnte man sich nach dem Mittagessen bis in die frühen Abendstunden vor den Fernseher setzen und ununterbrochen kindgerechte Weihnachtssendungen aller couleur konsumieren – für mich als Kind ein Segen, der die Langeweile dieses Tages etwas nahm, für Eltern und Großeltern ebenso schön, da sie ungestörter alles Nötige für die Feier am Abend vorbereiten konnten. An diesem Nachmittag, an dem Besinnlichkeit und Hektik so nah beieinander liegen wie an keinem anderen Tag im Jahr, wurden ausnahmsweise alle Fernsehzeit-Reglements aufgehoben.
Das „Wir warten aufs Christkind“-Programm war stets abwechslungsreich gestaltet: Gebastelt wurde mit der Dame im Fernsehen, quasi in Echtzeit – manchmal gar das letzte Weihnachtsgeschenk, ein schneller Origami-Stern aus Geschenkpapier. Es gab Zeichentricksendungen, Weihnachtsfilme und Weihnachtsepisoden beliebter Kinderformate, immer wieder Augsburger Puppenkiste (Fernsehproduktionen gemeinsam mit dem hr seit den 1950er bis 1989), Meister Eder und sein Pumuckl (BR/ORF 1982-1989), Sachgeschichten von Armin, Christoph und der Weihnachts-Maus (Sendung mit der Maus, WDR, seit 1971), Weihnachten bei Madita (SWE 1979), bei den Kindern von Bullerbü (SWE 1960) oder bei Michel aus Lönneberga (D/SWE 1975-1976), der sich jedes Jahr wieder dazu entschließt, die Menschen aus Lönnebergas Armenhaus zu einem Fest mit allen Weihnachtsvorräten der Familie einzuladen. Natürlich ohne Absprache mit den Eltern. Und natürlich ohne die böse Aufseherin des Armenhauses, die noch dazu für Ihre Gier und Ungerechtigkeit bestraft wird und in die von Michel zuvor ausgehobene Wolfsgrube fällt. Eine höchst weihnachtliche Mär über Mut, Werte und Gerechtigkeit.

Fernsehabsenz
Vera Cuntz-Leng schreibt:
Für Kinder – so kommt es mir zumindest in der Erinnerung vor und so erlebe ich es nun mit meinen eigenen Söhnen – besteht Weihnachten vor allen Dingen aus Warten. Alle Erwachsenen sind beschäftigt und das mit viel Geheimniskrämerei: Geschenke wollen verpackt, der Baum geschmückt, das Essen vorbereitet werden. Kinder sind da häufig nur im Weg. Und was läge da näher, als die Wartezeit mit Fernsehen zu überbrücken? Während meine Kinder das heute auch so leben (außer der Teenager, der lieber zockt), hatten meine Eltern in den 1980ern andere Vorstellungen. Es waren sicherlich auch praktische Beweggründe, die dazu geführt haben, dass ich Weihnachten vor allen Dingen als fernsehfreie Zeit erinnere. Stand doch schließlich die gute Grundig-Röhre im Wohnzimmer, wo auch meine Mutter den Weihnachtsbaum schmückte. Das war also Sperrgebiet. Mein Vater verkaufte uns das selbstverständlich als Teil des Festaktes: Fernsehen schien das Gegenteil von besinnlich zu sein, auf dem Programm standen stattdessen lange Spaziergänge und der Gottesdienstbesuch. In meiner Erinnerung war die Warterei auf die Bescherung entweder kalt oder langweilig oder beides. Hörspiele auf dem Zimmer zu hören, war dann und wann in Ordnung, zum Glück, wenn auch mein Vater für die Vorbereitung der Bescherung gebraucht wurde. Während ich also voller Neid zuhörte, wenn meine Freunde nach den Ferien von den Drei Haselnüssen für Aschenbrödel (ČSSR, DDR 1973) oder – noch viel cooler – von Anna (ZDF 1987) erzählten, konnte ich bloß die ersten 37 Folgen von Die Drei ??? (Hörbuchverlag Europa, seit 1978) auswendig herunterbeten. Das kann ich bis heute…

Christine Piepiorka schreibt:
Weihnachten ist für mich eine Zeit der Gemütlichkeit, der Lichter und für die Familie. Jedes Jahr aufs Neue war Weihnachten eine Zeit gefüllt mit Milch, Keksen, Einkuscheln und Lesen. Ja vor allem Lesen. Als Kind war es für mich keine Zeit des Fernsehens. Weihnachtszeit war Lesezeit: vor dem Frühstück, vor der Geschenkvergabe, vor dem Weihnachtsbaum. Der Fernseher blieb aus. Komplett. Zumindest (vermutlich) bis ich im Bett war. Ich kannte keine Weihnachtsfilme, als ich Kind war. Das spielte bei uns keine Rolle. Zwar war ich nach den Feiertagen in der Schule etwas neidisch, wenn sich erzählt wurde von all den tollen Filmen. Doch die Zeit sollte kommen in der ich dann mitreden konnte. Denn irgendwann in der Zeit vor Weihnachten fingen wir dann an Filme zu sehen… aber bis dahin blieb in dieser Zeit der Fernseher aus und andere Dinge waren im Vordergrund. Noch heute schauen wir an den Feiertagen kein Fernsehen und legen alle Handys im Flur auf einen Stapel. Medienfreie Zeit, die ich sehr genieße. Nur vor dieser Zeit bekomme ich nicht genug von Weihnachtsfilmen jeder Art…
Weihnachtsmann & Co KG und die ritualisierte Wiederholung:
Eine Retrospektive
David Höwelkröger schreibt:
Weihnachtsmann und Co KG (Le Monde secret du Père Noël, Prakash Topsy/Jean-Louis Bompoint/Christian Choquet, FR 1997) ist eine Serie der Ritualisierungen und der Wiederholungen. Die seit Anfang Dezember 1997 jährlich in Deutschland im Toggo–Kinderprogrammblock von Super RTL ausgestrahlte Serie zählt zu den am sichersten wiederkehrenden Dingen zur Weihnachtszeit wie das Glöckchen am Lindt-Schoko-Weihnachtsmann. Dies ist zum einen der verlässlichen Ausstrahlung von Montag bis Freitag zu verdanken, die garantiert, dass man die Serie als Kind auf jeden Fall irgendwann mal gesehen haben wird (wenn auch einige Episoden häufiger, als andere) und sie auch im darauffolgenden Jahr zur Advents- und Weihnachtszeit wieder sehen wird. Mit wiederholtem Sehen kam bei mir dann auch eine Vertrautheit auf – mit den Figuren, Episoden und vor allen Dingen der Machart: Dazu zählen dann nicht nur das Intro an sich („Weihnachtsmann, sag mir, wieso bist du so schlau…“), sondern auch der leitmotivisch wiederkehrende Score, ob die begleitenden E-Gitarrenriffs des ‚Knecht Ruprecht‘-Verschnitts Grantelbart, die Musik zur Schlittenfahrt oder die Musik, die wiederkehrend zur Untermalung verschiedener (gefährlicher, trauriger, aufregender…) Situationen verwendet wird.
Mit wiederholtem Sehen und Ausprägung der Sehgewohnheiten kam für mich irgendwann aber auch eine Fokussierung auf die Form einher – konkret die Art der Animation: gewisse Szenen werden in verschiedenen Episoden immer wieder wiederholt aufgegriffen, seien es zum Beispiel die Transformationssequenzen von Elf Jordi, der Flug im Schlitten oder das klatschende Publikum in Episode 9 „Der Glücksbringer“. Denn es handelt sich hier um Limited Animation, insbesondere in den ersten Episoden, wo noch traditionell in 2D-Cel-Animation animiert wurde und dieser Prozess gerade für das Fernsehen kostensparend erfolgen musste. So wiederholen sich z.B. auch Hintergründe als Locations. All dies lässt bei mir bis heute eine über die Jahre ritualisierte Vertrautheit und ein Gefühl von Heimeligkeit aufkommen, die Weihnachten für mich ausmacht.
Mittlerweile hat der Toggo-YouTube-Account die Episoden auch im nostalgischen 4:3-Format hochgeladen, sodass das alte Fernsehgefühl auch auf dem Computer aufkommt.

Von der Diversität der ZDF-Weihnachtsserie
Markus Watzl schreibt:
Während in den vergangenen Jahren das Weihnachtsprogramm der, häufig privaten, TV- Sendern von Vertretern des Blockbusterkinos dominiert wurde, möchte ich auf ein Format zurückblicken, welches seit 1998 quasi nicht mehr existiert: die sogenannte Weihnachtsserie. Diese Miniserien, die häufig maximal sechs Episoden umfassten, wurden nahezu durchgehend von der TV60FilmprodukJon GmbH produziert und in der Vorweihnachtszeit vom ZDF ausgestrahlt. Die darin thematisierten Settings hatten i. d. R. keinen Bezug zum Weihnachtsfest selbst, zogen aber primär Kinder zwischen 6 und 12 Jahren in ihren Bann und stellten für diese eine erste, positive Seherfahrung mit dem Medium dar. Bezeichnend dabei ist die Vielfalt der Geschichten, die die Miniserien erzählten.
Gut, mit dem Liebes- und Tanzleben einer aufstrebenden Ballerina in Anna konnte mein 10jähriges Ich sich noch nicht identifizieren, dafür aber umso mehr mit dem Ausreißer Silas und dem Schiffsjungen Jack Holborn, die namensgebend für die Weihnachtsserien 1981 und 1982 waren und beide von Jungstar Patrick Bach porträtiert wurden. Den ersten Agententhriller für Jugendliche lieferte das ZDF 1984 mit Patrik Pacard und machte damit Hendrik Martz zur unerschrockenen Idealfigur eines jugendlichen Helden, zu der man selbst gern heranwachsen würde.
Während die Erwachsenen in der Weihnachtszeit durch höchst geschäftige Vorbereitungen in Beschlag genommen wurden, entführten mich die diversen Abenteuer der Weihnachtsserien an exotische Schauplätze, die ich Jahre später eher mit James Bond assoziieren sollte. Am Tag nach der Ausstrahlung einer weiteren Episode traf ich mich stets mit meinen Schulfreunden, um das Gesehene ausgiebig zu diskutieren und natürlich nachzuspielen. Die letzte Weihnachtsserie, die ich bewusst verfolgt habe, Ron und Tanja, tauschte die exotischen Schauplätze und großen Abenteuer gegen die weitaus realitätsbezogene Liebesgeschichte zweier Jugendlichen im Post-Wende-Berlin, die sich mit einem herrschenden Alltagsrassismus konfrontiert sehen. Vielleicht hat die Weihnachtsserie per se mit dieser Produktion irgendwie ihre Unschuld verloren, aber sicherlich war sie „erwachsen“ geworden und mit ihr auch ich.

ZDF-Mehrteiler zwischen den Jahren
Markus Kügle schreibt:
Kinder allein auf hoher See, ein Eisbär, Schneestürme und dann auch noch Vulkanausbrüche: Das alles gab es 1988 im ZDF! In der Zeit zwischen den Jahren.
Gemeint ist die Serie Nonni und Manni, frei nach Jón Sveinsson und erstmals ausgestrahlt von Montag, 26.12.1988, bis Sonntag, 01.01.1989. Höchst abenteuerlich gings dabei zu – gleich auf mehreren Ebenen:
- Inhaltlich war das recht düsterer Stoff – fürs öffentlich-rechtliche Vorabendprogramm wie auch als ZDF-Weihnachts-Mehrteiler! Die sechs Serienepisoden spielen in Island, handeln vom 12jährigen Nonni und seinem 8jährigen Bruder. Eines Tages sorgt die Ankunft eines mysteriösen Fremden im Hafen für Aufregung, denn kurz danach passiert ein Mord und die Brüder fliehen mit dem zu Unrecht Verdächtigten ins schroffe Hochland. Weihnachtlich-besinnlich erschien das weniger, zwar gabs Geschenke, aber nicht im Rahmen einer Bescherung und zu spät fiel erst der Schnee. Die Serie hat somit Kontrastprogramm geliefert und wohl deswegen so fasziniert. Bildgewaltiges Hauptthema war es, der isländischen Wildnis ausgeliefert zu sein.
- Ein Abenteuer auch die Produktion: Nonni und Manni entstand als transnationales Gemeinschaftsprojekt (Island, Deutschland, Norwegen), weswegen es auch die aufwändigste aller ZDF-Weihnachtsserien darstellt.
- Abenteuerlich gestaltete sich sogar das Storytelling! Die Kinderfernsehserie (!) beeindruckte mit vier ungewöhnlich hohen Cliffhangern angesichts rauester Naturgewalten.
Als FERNSEH-MOMENT ist besonders jener am Ende des zweiten Teils (Dienstag, 27.12.1988) in Erinnerung geblieben: Da treiben die Brüder im Ruderboot aufs offene Meer hinaus. Und als ob das noch nicht schrecklich genug wäre, tauchen dann Wale auf, die das Boot beinahe zum Kentern bringen, weswegen der Kleine auch über Bord geht. Ein heftiges Hängenlassen am Kliff, nicht nur für Kinder.
Aber das war damals. Nunmehr sind die ZDF-Weihnachts-Mehrteiler vorbei. Insgesamt achtzehn Mini-Serien wurden von 1979 bis 1998 in den Zeiten zwischen den Jahren ausgestrahlt. Angeblich wurde die Reihe wegen der Konkurrenz des Privatfernsehens eingestellt – eigentlich eine Schande für unsere Öffentlich-Rechtlichen.

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