Arbeiten, wo andere Urlaub machen

von Thomas Waitz

Was weiß das Fernsehen über Arbeit? Wie werden Lohn- und Erwerbsarbeit in gegenwärtigen Programmen des öffentlich-rechtlichen Fernsehens repräsentiert? In einer Zeit des vielbeschworenen „Fachkräftemangels“, einer Inflation, die vielen Menschen die Möglichkeit nimmt, mit dem Geld, das sie verdienen, auszukommen, in Zeiten von ‚working poor‘ und einer weiterhin hohen Arbeitslosigkeit sollte es Themen genug geben, denen in Reportageformaten nachgegangen werden könnte.

Gerade der Tourismus ist ein Wirtschaftsbereich, bei dem sich in vielerlei Hinsicht Probleme beobachten lassen, die typisch für viele Arbeitsfelder sind: Die anhaltenden Herausforderungen nach dem Ende der Pandemie, belastende und schlecht bezahlte Beschäftigungsverhältnisse, eine Mischung aus harter körperlicher und affektiver Dienstleistungsarbeit, ein hoher ökonomischer Druck und die Erwartung permanenter Anpassung sind Kennzeichen der Tourismusindustrie. Betrachten wir die Wohlfühldokus aus dem Vorabendprogramm öffentlich-rechtlicher Sender, stoßen wir immer wieder auf Beiträge, die sogenannte „Urlaubsmacher“ bei der Arbeit zu beobachten vorgeben: „Sie leben und arbeiten dort, wo andere Urlaub machen“, „Sie sind Urlaubsmacher aus Leidenschaft“ – nur zwei der für das Genre typischen Stehsätze, die sich in solchen Programmen finden.

Die Zusammenstellung vereint einige der wiederkehrenden Elemente solcher Reportagen. Eine Kompilation, die in Summe einen prototypischen Beitrag ergibt – zusammengestellt aus vielen Stunden Programm, die ein hohes Maß an Gleichförmigkeit, narrative Ähnlichkeit und identische, stereotype Einstellungen aufweisen. Mit Ausnahme des frühen Morgens, wenn die „Urlaubsmacher“ den Tag beginnen und dabei, so wird suggeriert, für einen kurzen Moment die zur Schau gestellten Schönheiten der Landschaft für sich allein haben, herrscht immer Stress – und doch erfahren wir nichts über die Hintergründe und Abgründe der Arbeitsverhältnisse in einer belastenden Dienstleistungsbranche, deren Schäden für Arbeiter_innen und Umwelt seit langem bekannt sind. Stattdessen sehen wir Reportagen, die sich mit Arbeit befassen, aber als Unterhaltung gedacht sind, und in denen der vom Voice Over vielbeschworene Stress der Arbeiter_innen einer zweiten Ausbeutung unterzogen wird, indem er als Teil einer unterhaltenden Logik zum Konsum bereitgestellt wird.

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