(Tagung des SfB Bedrohte Ordnungen und der AG Fernsehgeshichte/Television Studies, 21.- 22.4, Tübingen)
Von Herbert Schwaab
In den letzten Minuten der politischen Satire A Face in the Crowd von 1956 wird der Topos der unfreiwilligen Entlarvung des ‚wahren‘ Charakters einer Fernsehfigur durch das Live-Medium Fernsehen etabliert. Die beim Showabspann stummgeschaltete Tonspur wird wieder aufgedreht und überträgt für ein Millionenpublikum die gehässigen und herablassenden Bemerkungen des sich unüberwacht glaubenden Larry ‚lonsome‘ Rhodes, dessen Karriere in Fernsehen und Politik in den frühen Jahren des Mediums der Film nachzeichnet.
Der Film beschreibt sehr genau, wie ein Country- und Bluessänger seinen rasanten Aufstieg im Fernsehen seiner Fähigkeit verdankt, die durch das Fernsehen ermöglichten, intimen Adressierungsformen zu beherrschen und somit ein Publikum zu erreichen. Er zeichnet auch die politischen Dimensionen dieses Erfolgs nach, wenn der Showmaster zunächst als Polit- und Medienberater einem republikanischen Politiker fernsehgerechtes Auftreten lehrt, später mit einem politischen Variety-Showformat selbst zum Populisten wird und so an seiner eigenen Karriere arbeitet. Der Film deckt als kritische Reflexion eines neuen Mediums, das in den 1950er Jahren dem Kino massiv Konkurrenz machte, auch auf, welche Eigenschaften des Überwachens, der Unmittelbarkeit und der Liveness ihm zugeschrieben wurden. Nur aus diesem Grund, basierend auf Elementen, die heute noch im Fernsehen des Reality TVs eine wichtige Rolle spielen, schafft es das Medium auch die Karriere derer zu zerstören, die es groß macht – zumindest war das bis vor kurzem so.
Vieles an dem Film liest sich wie eine Analye dessen, was 60 Jahre später mit Donald Trump Wirklichkeit werden sollte, dass eine Figur des Fernsehens auch als Politiker erfolgreich sein konnte. Allerdings denken wir eher mit Wehmut an eine Medienrealität zurück, in der das Aufdecken von Skandalen und unlauterem Verhalten, die Enthüllung der Wahrheit hinter einer Inszenierung, dem populistischen Missbrauch der Politik Grenzen setzen konnte. Wenn die Zuschauer des Fernsehens der 1950er Jahren noch entsetzt auf die Erkenntnis reagieren, dass die von ihnen geliebte Fernsehfigur tatsächlich ein Monster ist, so wählen sie heute ein Monster, das sie auch als solches kennen. Sie wählen es gerade deswegen, weil es ein Monster und nicht ein etablierter Politiker und Vertreter des Systems ist. Das ist auch der Grund, warum Enthüllungen, die viel schlimmer sind als das, was in diesem Film zu sehen ist, Trump noch immer wählbar erscheinen ließen. In den 1950er Jahren war es noch nicht möglich, Wählbarkeit und das Erschießen von Menschen auf der 5th Avenue kompatibel erscheinen zu lassen.

Es ist diese veränderte Medienwelt und eine veränderte mediale Ökologie, in der das Fernsehen heute einen anderen Ort bewohnt, die auf der Tagung „Trump und das Fernsehen“, veranstaltet in Zusammenarbeit mit dem SfB „Bedrohte Ordnungen“ und der AG Fernsehgeschichte/Television Studies Ende April in Tübingen, immer wieder diskutiert wurde. Dass Trump definitiv eine Figur des Fernsehens ist (und nicht ausschließlich eine Figur der neuen, sozialen Medien) wird bereits in den einleitenden und begrüßenden Worten von Anne Ulrich deutlich. Sie spricht von einer fragwürdigen Form der mediated citizenship, in der Trump selbst als Mitglied der Fox-Familie betrachtet (‚fox is like family to him‘) betrachtet werden kann und einen relativ eng begrenzten Fernsehhorizont andeutet. Es wird auch die Unbrauchbarkeit von Programmen wie House of Cards in der Deutung oder Vorwegnahme von Trump deutlich. Trump lässt sich nur bedingt mit den Begriffen dieser Serie deuten (Intrigen und Manipulationen), umso wichtiger erscheint es, neue Begriffe des Fernsehens zu definieren (Affektpolitik), die den Erfolg dieses Politikers erklärbar machen. Wie ein neuer Blick auf das Fernsehen aussieht, deuten Dominik Maeder und Stephan Trinkaus in einem weiteren einleitenden Beitrag an, der auf die TV-Wrestling Karriere Donald Trumps zurückschaut. Sie weisen auf eine ‚authentische‘ Produktion von falschen Bildern in diesem Sport hin, die Roland Barthes bereits in den 1950er Jahren (in den Mythen des Alltags) fasziniert und begeistert hat. Trumps Auftreten in dem sogenannten Battle of the Billionaires ist ein Beispiel für eine Affektpolitik, für eine politische Aktivierung des Affektes und verwandter Gefühle wie Scham und Leidenschaft, die Schwellen überschreiten und unmittelbar auf die Zuschauenden wirken. Die Debatte um den Affekt sollte sich dann auch im Weiteren als sehr brauchbarer Schlüssel erweisen, um die Logiken des Fernsehens und die Effekte von Donald Trump besser verstehen zu können.
Dass die Beiträge der Medienwissenschaft in der Debatte um Populismus und Trump eine wichtige Rolle spielen sollten, unterstrich Niels Werber (Siegen) im ersten Beitrag zu der Tagung. Während die Politikwissenschaft (und etablierte Medien) ratlos auf Trump blicken, lässt sich mit einer medienwissenschaftlichen Analyse von Trumps Mediengebrauch nachvollziehen, wie er mit Twitter die spezifische Konstituierung einer (hermetischen) Öffentlichkeit erreicht. Hier offenbart sich der televisuelle Aspekt von Trump vor allem in dem zwanghaften Wechselspiel mit getwitterten Inhalten, die sich wiederum häufig auf das Fernsehen (Fox) zurückbeziehen und zu Twitterschlachten führen, die den Ausgangspunkt der Debatten häufig komplett vergessen lassen. Fernsehen trete hier vor allem als Parasit von Twitter auf und Medien ziehen sich aus ihrer Rolle als mögliche Reflexions- und Beobachtungsmedien der politischen Wirklichkeit zurück. Es wird plötzlich virulent und problematisch, dass, wie wir alle immer schon gewusst haben, Medien Wirklichkeit schaffen. Werber verbindet diese Diagnostik der Medien mit anderen Begriffen der Philosophie und politischen Theorie wie dem Dezisionismus, dem Begriff der Feindschaft, wie er von Carl Schmitt definiert wurde, mit einer politischen Ethik des Okkasionellen, die sich auf Gelegenheiten bezieht und Politik nur in einem engen Rahmen denken kann, gleichzeitig aber auch eine Offenheit gegenüber der Welt impliziert, die sich bei Trump wohl nicht diagnostizieren lasse. Trump nutzt Gelegenheiten, aber er lässt sich wohl, wie resigniert festgestellt wird, nicht von Welt berühren. Das Okkassionelle eines vorstellungs- und theoriefreien Trumps findet sich wohl vor allem in der getwitterten, übergroßen Aufregung über Kleinigkeiten, die aber trotz des engen Horizontes der politischen Vorstellungen in den Tweets nicht den Blick auf die geplanten und strategischen Momente der Kommunikation Trumps, die von Mitarbeiter wie Stephen K. Bannon orchestriert wird, verdecken solle. Die Diskussion dieses Beitrags erbrachte auch interessante Unterscheidungen, die sich mit einer fernsehtheoretischen Begriffsbildung verbinden lassen, so etwa, dass Obama als ähnlich geschickter Medienpolitiker eher das Gefühl angesprochen habe, während Trump sich auf den Affekt konzentriert.
Der zweite Beitrag der Tagung von Dominik Maeder untersuchte unter dem Titel „The First Reality TV President“ Aspekte der medialen Vorwegnahme (dem Konzept der premediation von Richard Grusin folgend) in dem Reality TV Format The Apprentice. Ausgehend von dem Begriff des Dezisionismus von Carl Schmitt untersucht Maeder die Repräsentation (oder Simulation) unternehmerischer Logiken und vor allem die unterhaltende Fokusierung auf Entscheidungssituationen, die die wichtigsten mit Trump verbundenen Elemente des Formats darstellen. Er schließt in seinem Beitrag auch an die authentischen Konstruktion falscher Bilder an, die Wrestling und Trump gemein haben, und reflektiert über Fragen einer unvermeidlichen Performanz von Präsidentschaft, die sich bei Trump aber auch an einer Freude daran ausdrücke, seine Präsidentschaft (nur) zu spielen. Was Trump dabei aber spielt (im Reality TV ebenso wie in seiner Präsidentschaft) ist allerdings hochrelevant für das Nachdenken über diese neue Figur des Politischen. Trump arbeitet mit den tragenden Signifikanten des Kapitalismus (sichtbar etwa in der Inszenierung von New York in The Apprentice), aber er stellt in seinen eigenen Entscheidungen immer nur ein intuitives (und damit auch affektives) Moment heraus, das wunderbar kompatibel mit den Wirkungsformen des Reality TVs ist. Es ist eine Inszenierung des Unerwarteten, der überraschenden Entscheidung, die sich auf sekundäre Merkmale der Performance der Kandidaten und Kandidatinnen bezieht, etwa auf ihren Mangel an Begeisterung, und nicht auf ihre geschäftlichen Leistungen. Es entfernt sich damit konstant auch aus dem Referenzsystem einer beherrschbaren Ökonomie. Mit der Frage, ob Trump diese Entscheidungssituationen in seiner Präsidentschaft weiter zelebriert (wofür es Andeutungen gibt) zeigt sich auch, wie in der genauen Analyse bestimmter Situationen von Fernsehformaten der politische Akteur Trump tatsächlich als prämediatisiert, als vorweggenommen gelten mag und daher mit ähnlichen Begriffen untersucht werden muss.
Wenn auch etwas weniger auf das Fernsehen bezogen, setzt sich auch Albrecht Raibles Beitrag zu Topoi der Verschwörung in der amerikanischen Politik mit dem affektiven Moment des Unerwarteten und Unberechenbaren auseinander, mit dem Hinweis darauf, dass der Wahlkampf von Hilary Clinton nicht stattgefunden habe, weil dort eben dieses Moment gefehlt habe. Raible untersucht die verborgenen und angedeuteten Ikonografien, mit denen sich bei Trump Bezüge zum größten politischen Skandal und zur wichtigsten Verschwörung der amerikanischen Politik herstellen lassen, zugleich mit der Frage verbunden, warum Trumps Skandale (bisher) nicht das Ende von Trump als Politiker und Präsident bedeuten. Als Antwort kristallisiert sich eine andere Rolle der Verschwörung und der mit ihnen verbundenen Krisen in der Politik heraus: Die Krise ist nicht das störende, sondern konstitutive Element eines Politikers, der selbst seinen Einstieg mit einer haarsträubenden Verschwörungstheorie über Obamas Status als (geborener) amerikanischer Bürger hatte und seitdem immer wieder mit Andeutungen auf kleinere und größere Verschwörungen eine permanente Krise schafft. Die permanente Krise lässt wenig Raum für eine Politik, die auf rationalen Argumenten basiert, und dafür mehr Raum für eine Politik, die auf dem Aufregungspotential von Trump gründet.
In die Untiefen der affektiven Realität steigt Stephan Trinkaus ein, in dem Bemühen, sie als eine verdrängte und unbewältigbare Realität der sozial Marginalisierten, einer verkümmerten und nicht mehr silent majority der weißen, amerikanischen Mittelschicht, sichtbar werden zu lassen, die bezogen auf einen anderen kulturellen Rahmen Didier Eribon in Rückkehr nach Reims beschrieben hat. Soziale Herkunft erscheint hier als Gespenst, das sich von keiner politischen Kompetenz regieren lässt und Le Pen wählt. In den Anschlüssen an eine Neigung des Fernsehens, Klassen zu inszenieren und Menschen zu entbürgerlichen (die beispielweise in den Sammelband Das Fernsehen als Agentur des Sozialen und in vielen Texten zum Reality TV behandelt wurde) untersucht Trinkaus hier die weiterführenden Effekte einer Affekt-Politik des Fernsehens und der entsubjektivierenden Momente des Fernsehens, deren neues Realitätsverständnis eben nicht über den Modus einer im einzelnen Subjekt vereinheitlichten Erfahrung, sondern über den Modus einer im Affekt geteilten Realität funktioniert. Diese neue, unheimliche, aber über Theorien des Affekt und des Fernsehens entschlüsselbare Realität, wird am Ende des Beitrags mit H.P.Lovecraft und seinen Horrormythen einer unterdrückten, aber immer wieder neu zu entfesselnden anderen Herkunft und Kultur des Menschen, überdeutlich gemacht. Es geht hier in den vom Fernsehen hergestellten Realität nicht mehr um Subjekte, die über Begriffe der Subjektivität erklärbar wären, sondern wir müssen zu einem tieferen Verständnis des Denkens und Fühlens derer gelangen, die auch aus unserer eigenen politischen Realität ausgegrenzt sind und damit den engen Rahmen politischer Repräsentationen und der von ihnen geformten Vorstellungen deutlich machen. Diese neuen politischen Repräsentationen kreisen um eine Figur, die keine Persönlichkeit, keine Psychologie und dafür Intensitäten und Oberflächen hat und selbst Repräsentant einer naturhaft wuchernden und nicht mehr rationalen Ökonomie ist – eine Figur, die Felix Guattari bereits in den 1970er Jahren ausdrücklich auf Trump bezogen skizziert hat.
Was das für eine neue, über den Affekt geteilte und uns unbekannte Realität ist, in der sich Trump und seine Anhänger bewegen, verdeutlicht sehr eindrucksvoll die ebenso instruktive wie unterhaltsame Keynote von Misha Kavka (Auckland), die den ersten Tag der Tagung beschließt. Unter dem Titel „Trump, TV and the Threatening Pleasures of Negative Camp“ porträtiert sie entschlossen und eindeutig Trump als eine Figur des Fernsehens, die mit dem Format The Apprentice bekannt geworden ist. Trumps weitergehende Bindung an dieses Format werde dadurch deutlich, dass er noch immer als executive producer des Programms fungiere und sich mit dem kurzlebigen Nachfolger als Host Arnold Schwarzenegger Twitterschlachten über dessen Performance in dem Format liefert. Mit Begriffen, die Misha Kavka in ihren wichtigen Werken zur Wirklichkeits- und Affektproduktion des Reality TV entwickelt hat, erkundet sie die Rolle Trumps in diesem Format, das ihn erst zu der national bekannten Figur gemacht habe, die später die Präsidentschaft gewinnen konnte. Sie weist darauf hin, dass The Apprentice Teil einer Strategie des Geschäftsmanns war, sich von dem risikobeladenen Feld der materiellen Güter (Immobilien) auf das Feld der Brands und der immateriellen Güter zu bewegen. Misha Kavkas Beitrag geht auch von dem eigenen Vergnügen an dem Format aus und ermutigt dazu, zu verstehen, was an Trump als Figur des Reality TVs Vergnügen bereitet, um damit auch zu verstehen, wieso er erfolgreich ist. Sie weist auf die ironische Rahmung durch einen Song, der von Gier handelt, hin, wie das Programm das TV gerechte Set Up eines Konferenzzimmers nutzt, wie das bestimmende Kriterium zur Bewertung der Leistung der Teilnehmer eher ihre Beziehung zueinander als ihr geschäftliches Können in den Entscheidungssituation in den Mittelpunkt rückt, wie aber auch das Leben der Kandidaten durch die Rhythmen der Inszenierung dieser Show als hochgradig gerahmt und mediatisiert erscheint und als einzige kohärentes Merkmale des Programms letztlich nur bleibt, dass der darin erstaunlich selten auftretende Trump immer Recht hat und in den Entscheidungssituation sein Genießen an diesem Moment sichtbar zum Ausdruck bringt. Als kritischer Schlüssel zu Trump bezieht sich Kavka auf den Begriff des Camp zurück, den sie zunächst als ‚negative camp‘, einer zunächst in Außenseiterkulturen etabliert Form der Selbstpräsentation, die in den Mainstream der Gesellschaft eingesickert ist, problematisiert. Trump und seine Anhänger verinnerlichen und missbrauchen eine auf Affekt und Transgression ausgerichtete übertriebene Performance, die eigentlich der Kern der subversiven Praktiken von Camp sind. Die weiße männliche Klientel von Trump adaptiert dieses Verhalten, die in der sichtbaren und bedrohlichen Freude am Exzess und an der Normüberschreitung in den Wahlkampveranstaltungen entfesselt wird. Negative Camp lässt den weißen Bewohner des mittleren Westen als eine ähnlich subordinierte Gruppe erscheinen wie die schwule Subkultur, in deren Umfeld Praxen und Konzepte des Camp geprägt wurden. In Trumps eigener Inszenierung als theatralischster Präsident der USA, in seiner exzessiven Zurschaustellung des eigenen Reichtums, in seiner hypermännlichen Performance tritt er als perfekter Vertreter einer Campästhetik auf, mit dem großen Unterschied, dass er selbst nichts davon weiß. Und dies bietet auch die Gelegenheit, das kritische Potential von Camp zu aktivieren: „the queerness of camp cannot be taken off, even if its going mainstream“. Kavka illustriert dies mit einem Genre von YouTube-Videos, bei denen unter der Bezeichnung ‚sassy Trump‘, Originalvideos von Reden von Trump mit dem originalen Wortlaut mit einer affektierten, weiblich wirkenden Stimme nachsynchronisiert werden und die queerness von Trump, von der er nichts weiß, offengelegt wird. Zu dem tatsächlich kritischen Potenzial dieser Videos, die nur durch eine kleine Verrückung der Darstellung ein wichtiges Moment der Performance offenbaren, bleibt Kavka letztlich selbst etwas ambivalent, ermahnt aber dazu, sie ernst zu nehmen und ordnet diese und viele andere Dinge in eine Affektpolitik ein, die einen Gegenpol zur Trump-Agenda bilden könne.
Der zweite Tag der Tagung beschäftigt sich zunächst mit Silvio Berlusconi und führt in die Medienpolitik einer Trump verwandten und ihn vielleicht vorwegnehmenden Figur der europäischen Politik ein. Tanja Weber weist dabei auf einen wesentlichen Unterschied zwischen beiden hin: Trump ist und bleibt eine Figur des Fernsehens, Berlusconi ist das Fernsehen. Die Verflechtungen zwischen seinem Industrie- und Medienkonzern mit staatlichen und nicht-staatlichen italienischen Sendern sind eine bedeutende Ressource für diesen populistischen Politiker. Berlusconi greift in die Sendepolitik, wenn er gerade mal an der Macht ist (in drei längeren und kürzeren Perioden in den letzten 25 Jahren), massiv in die Gestaltung von Inhalten der Programme und der Besetzung von Posten in den Fernsehinstitutionen ein. Als Fernsehfigur beschränkt er sich aber meist auf eine wirksame Strategie, vor allem bei Talkshowformaten direkt anzurufen und deren Repräsentanten unflätig zu beschimpfen.
Deutet dieser Beitrag bereits an, was für ein von Berlusconi mitgeschaffenes Unterhaltungsfernsehens die italienische Gesellschaft so entpolitisiert haben soll, dass Berlusconi gewählt werden konnte, problematisiert mein Beitrag diese Berlusconi zugeschriebene Strategie, die häufig etwas hilflos als eine zunehmende Mediatisierung der Politik beschrieben wird. Tatsächlich lassen sich beide Figuren sehr gut als Hybride analysieren, die konsequent die Sphären von Politik und Unterhaltung vermischen, die als Provokateure auftreten, die Menschen beleidigen, die Sexualität und den weiblichen Körper als Insignien der Macht begreifen, die überall, wo sie sich bewegen, ungebührliches Verhalten und den Affekt als Mittel der politischen Transgression aktivieren. Dass Berlusconis Aufstieg aber tatsächlich sich monokausal auf seine konsequente Entpolitisierung der italienischen Gesellschaft durch ein auf Unterhaltung und die sexistische Ausstellung des weiblichen Körpers ausgerichtetes privates und kommerzielles Fernsehen beschränken lasse, muss in einer medienkulturwissenschaftlichen Perspektive in Frage gestellt werden. Natürlich müssen die Begriffe der Cultural Studies,– sind etwas die von ihr beschriebenen Subordinierten immer noch die Subordinierten, die durch den strategischen Einsatz von Theorien der Cultural Studies emanzipiert werden müssen? Aber die Impulse, die von einer Umkehrung der Machtverhältnisse im Fernsehen durch den Fokus auf die Rezipierenden von dieser Formation produziert wurden, müssen noch immer ernst genommen werden. Denn gerade das heterogene, immer noch auf Formen der klassischen Variety-Show zurückgreifende italienische Fernsehen, kann noch als Forum, als produktive Infragestellung der Trennung der Sphären von Politik und Unterhaltung, als Medium der Sichtbarmachung von verborgenen Einstellungen und Mentalitäten, ernst genommen und gründlicher, mit Blick auf eine widersprüchliche Rezeption der Betrachtenden, analysiert werden. Der Beitrag bleibt am Ende etwas unsicher in der Bewertung der Effekte des italienischen Fernsehens und dieser Sphärenvermischung, verweist aber, vielleicht etwas hilflos, auch auf das entblößende Vermögen des Fernsehens hin (seiner Unmittelbarkeit und Liveness), dass das Fernsehen auch die Mechanismen der Inszenierung, die in Clips, in denen Berlusconi unflätige Witze über Obamas Hautfarbe oder von Martin Schulz Eignung für die Rolle eines Nazis in Historienfilme spricht, offensichtlich werden, zu dekuvrieren und zu skandalisieren vermag.
Einen weiteren Blick auf Italien oder zumindest auf die römischen Wurzeln dieser Gesellschaft bietet auch der Beitrag von Christoph Ernst (Bonn), der unter dem Titel „Hail Trump! Populismus und Geschichte am Beispiel der HBO-Serie Rome“ auf ein Serienformat als Form der Prämediatisierung von Trump blickt. Ernst geht es nicht nur darum, die Bezüge zwischen einer protofaschistischen Ästhetik und Darstellung von Politik und Führerschaft und der Bezugnahme auf faschistische Ikonographie amerikanischer Militia-Zirkel und der Altright-Bewegung herauszustellen, sondern er will auch eine neue Theorie einer seiner Meinung nach untertheoretisierten Provokation skizzieren, für die Rome eine Folie biete. Mit einem kritischen und detaillierten Blick auf die Deutung des römischen Reiches in der Geschichtswissenschaft und Deutungen und Darstellungen populistischer Mechanismen in der Serie Rome stellt Ernst Verbindungen zwischen der Serie und der amerikanischen Politik her und weist auf Möglichkeiten hin, den Populismus der Akteure im historischen Rom und den Populismus der Akteure in der amerikanischen Politik und deren Strategie der Provokation besser zu verstehen.
Die letzten beiden Beiträge zur Tagung beschäftigen sich mit unterschiedlichen Formaten und Genres des Fernsehens und ihrer Rolle in der Darstellung und Kritik an Trump. Elke Möller (Erlangen) macht in ihrem Vortrag „Late Night Television vs. Trump. Mikronarrative zwischen Twitter und Fernsehen“ deutlich, wie Late Night Show-Formate in Twitter-Nachrichten des Präsidenten und weiteren transmedialen Extensionen Material für die satirische Bezugnahme finden. Dies werfe aber letztlich auch die Frage auf, ob damit nicht auch ein Kreislauf der gegenseitigen Bezugnahme in Gang gesetzt wird, die das Bild von Trump in der Medienwelt zirkulieren und allgegenwärtig erscheinen lässt, ein paradoxes Verhältnis von Kritik und Affirmation, das auch eine gewisse Ohnmacht des Fernsehens gegenüber Trump offenbart. Dies lässt sich fernsehwissenschaftlich als eine Kollaboration zwischen den mircronarratives von Twitter und den hypernarratives des Fernsehens deuten, aber auch als Teil der Mechanismen einer sich selbst steuernden ‚evil mediation‘, mit denen zunehmend auch Zwischenräume unserer Medienwelt besetzt werden.
Abschließend setzt sich Tobias Conradi (Brandenburg) in „Trump News und die Sehnsucht nach der Wahrheit“ mit Format und Status von Nachrichtensendungen auseinander. Er erinnert uns (wehmütig und auch etwas peinigend) mit einem sehr erhellenden Clip der Tagesthemen an die Selbstgewissheit, mit der Thomas Roth überaus beruhigend die unmögliche Präsidentschaft von Trump vorhergesagt hat. Dieses Versagen der Autorität eines Nachrichtenformats und seines Repräsentanten in der tragisch misslungenen Prognose verweist gleichzeitig auf einen Autoritätsverlust der Medien, der in Begriffen einer gefühlten Wahrheit in rechten, populistischen Medienorganen und der Trumpadministration selbst begrifflich erfasst wird. Welche Kluft sich dabei auftut, wenn Trump mit gefühlten, postfaktischen Nachrichten operiert, um eine Klasse der bisher subordinierten, ausgegrenzten weißen Amerikaner zu identifizieren und zu konstruieren, sich dabei der Mechanismen der Klassenproduktion durch das Fernsehen bedient, und den um ihren Status als objektive Vermittler einer politischen Wahrheit in den Fernsehnachrichten ringenden, ‚offiziellen‘ Medien, wird an einem im Vortrag gezeigten Clip aus der ersten Folge der Serie The Newsroom deutlich. Wir blicken voller Wehmut, aber auch peinlich berührt auf die pathetischen Gesten eines klassischen Nachrichtenmenschen, der auf die wichtige Rolle der Medien als unkorrumpierbare Produzenten von Quality News verweist, die nur wenige Jahre später sichtlich mit einer neuen politischen Medienrealität konfligiert und mittlerweile als ohnmächtige Geste erscheint.
Dieses Moment einer gescheiterten (und dennoch fortgesetzten) Selbstvergewisserung der als Mainstreammedien verdammten klassischen Nachrichten ist eine weitere Erklärung dafür, warum die von dem Film A Face in the Crowd ausgestellte Möglichkeit, mit den Mitteln des Monitoring und der Liveness die Mittel der Inszenierung populistischer Politik offen zu legen, heute so anachronistisch erscheinen muss. Vielleicht bedeutet dies, wie sich mehrmals in Beiträgen der Tagung andeutet, dass sich die Affektpolitik von Trump nur mit einer alternativen Affektpolitik bekämpfen lässt. Es bedeutet auf jeden Fall, das Trump als Figur des Fernsehens ernstgenommen werden muss, und dass Begriffe der Fernsehwissenschaft überdacht und erneuert werden müssen, wofür die Tagung einige Impulse geliefert hat.

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